Page 16 - Volkswohl Fürth - 100 Jahre
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1871–1918
Industrialisierung und
Wohnungsnot in Fürth
Wohnverhältnisse im Kaiserreich
Wie in fast jeder industriell geprägten Stadt Dies hatte zwar eine rege Bautätigkeit zur
waren auch in Fürth die Wohnungsverhältnisse Folge, mit der die Stadt sich über ihren alten
zur Zeit des Kaiserreichs prekär. Die Fürther Ortskern auszudehnen begann, doch die in den
Industrie, hauptsächlich bestimmt von der neuen Vierteln entstehenden Häuser boten
Spiegelglas- und Möbelherstellung, der Bron- vielfach nur Wohnraum für die Mittelschicht,
»Stadt der tausend zefarben-, Blattmetall- und Spielwarenferti- während sich weniger gut betuchte Bürger den
Schlöte«: Zwischen 1875 gung sowie nicht zuletzt dem Brauereiwesen, geforderten Mietzins in der Regel nicht leisten
und 1900 verzeichnete hatte seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhun- konnten. Mietskasernen für die Arbeiterschaft
Fürth ein rasantes Wachs- derts einen beeindruckenden Aufschwung gab es auch in Fürth, sie spielten aber eine weit
tum, und die Bevölkerung erlebt, musste aber infolgedessen auch einen geringere Rolle als etwa in Großstädten. Daher
verdoppelte sich. Mit den gewaltigen Bevölkerungsanstieg verkraften. Im blieb den in großer Zahl in die Stadt strömen-
Dampfmaschinen wuchs ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhundert den Industriearbeitern und -arbeiterinnen oft
auch ein Wald von Schlö- zählte die Kleeblattstadt sogar zu den Gemein- nichts anderes übrig, als sich in den ohnehin
den mit dem stärksten Bevölkerungswachstum schon dicht besiedelten Altstadtquartieren nie-
ten. Kolorierte Postkarte
in Bayern. Die Zahl der Bewohner war zwi- derzulassen. In den wenigen verfügbaren Woh-
nach einer Zeichnung von
schen 1875 und dem Beginn des Ersten Welt- nungen herrschten oft trostlose Zustände. Häu-
E. Frank.
kriegs um mehr als das Zweieinhalbfache fig musste sich eine mehrköpfige Familie mit
gestiegen, von 27.000 auf etwa 69.500. nur einem Raum begnügen, der zugleich als
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