Page 41 - Volkswohl Fürth - 100 Jahre
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Auch die Baugenossenschaft Volkswohl
       bekam die Konsequenzen der katastrophalen
       Lage eindringlich zu spüren, was sich zuerst in
       einem Rückgang der Mitgliederzahlen äußerte.
       64 Baugenossen und -genossinnen erklärten
       von 1930 bis 1932 ihren Austritt. Nach Verlust
       ihres Arbeitsplatzes sahen sie sich gezwungen,
       ihre Wohnung aufzugeben, da sie den erforder-
       lichen Mietzins nicht mehr aufbringen konn-
       ten. Mietrückstände hielten sich mit nur 1,1
       Prozent aller Mieteinnahmen trotz der prekä-
       ren Einkommenssituation mancher Mitglieder
       in Grenzen, wie im Jahresbericht 1932 lobend
       festgehalten wird: »Alle Achtung und Anerken-
       nung unserer arbeitslosen Mitglieder, bezw.
                                                                   25
       Mieter, die es als ihr Erstes betrachten zuerst  als alle seine Vorgänger« , so wurde das fol-  1932/33 ging die Genossen-
       ihre Miete zu entrichten.« 22          gende Jahr als »eine völlige Katastrophe im  schaft neue Wege und
          Bereits 1930 stand fest, dass beim Bau von  Baugewerbe« 26  eingestuft. Öffentliche Mittel  errichtete im Fürther
       vier geplanten Häusern nicht nur die Zuschüs-  zum Wohnungsbau wurden Volkswohl nicht  Vorort Oberfürberg 18
       se geringer als bisher ausfallen würden, son-  mehr zugeteilt. Entschlossen, sich davon nicht  Siedlungshäuser. Die mit
       dern »daß nach allen Richtungen gespart« und  entmutigen zu lassen, ging man daher daran,  Reichsmitteln geförderte
       »[b]ei der Ausstattung […] jeder überflüssige  das zweite Haus mit acht Wohnungen an der  »städtische Randsiedlung«
       Aufwand vermieden werden« 23  musste. Kon-  Neumannstraße mit drei Zwei- und fünf Drei-  mit kleinen Häusern und
       kret bedeutete dies, dass die Grundrisse wieder  Zimmer-Wohnungen aus eigenen Mitteln zu  großen Gärten sollte
       kleiner wurden und auf die Einrichtung von  errichten, wobei es sogar gelang, die Baukosten  Erwerbslosen ermöglichen,
       Bädern erneut verzichtet werden musste. Im  um 15 Prozent gegenüber dem baugleichen  sich einen Teil des Lebens-
       darauffolgenden Jahr konnte nur das Früh-  Haus vom Vorjahr zu senken.         unterhaltes selbst zu
       jahrsbauprogramm mit insgesamt 16 Wohnun-  Gleichzeitig war die Genossenschaft  erwirtschaften. Postkarte
       gen in der Neumannstraße 7–13 umgesetzt  gezwungen, sich auf geänderte Rahmenbedin-
                                                                                      1933.
       werden: »Für die Herbstbauten konnte, wegen  gungen bei der staatlichen Förderung von
       katastrophaler Finanzlage, der Staat Mittel  Wohnraum einzustellen. Der städtische Klein-
       nicht mehr geben und mußte die Ausführung  wohnungsbau kam infolge radikaler Verringe-
       derselben unterbleiben.« 24            rung der staatlichen Zuschüsse aus Mitteln der
          Wurde deswegen schon 1931 als »ausge-  Hauszinssteuer im Laufe des Jahres 1931 prak-
       sprochenes Not- und Krisenjahr« bezeichnet,  tisch zum Erliegen. Stattdessen wurden mit der
       das »uns noch mehr Not und Elend [brachte]  dritten Notverordnung der Reichsregierung
         40     Volkswohl 1920–1933
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