Page 118 - Volkswohl Fürth - 100 Jahre
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Auch andere Heimatvertriebene bemüh-  sich in irgendeiner Weise von der übrigen Für-
                                      ten sich, wieder in ihren erlernten Berufen  ther Bevölkerung abzusondern, etwa durch
                                      Fuß fassen zu können. So siedelten sich bei-  Gründung einer Flüchtlingspartei. In der
                                      spielsweise ein Handschuhmacher an, der mit  Mehrzahl aus der Deutschen Sozialdemokrati-
                                      einer Lederfärberei zusammenarbeitete, ein  schen Arbeiterpartei der Tschechoslowaki-
                                      Maler- und Tünchergeschäft und eine Schuh-  schen Republik (DSAP) stammend und in viel-
                                      macherwerkstatt. Diese Handwerksmeister  fältigen, zwischenzeitlich von den Nationalso-
                                      beschäftigten wiederum zum Teil sogar eine  zialisten verbotenen Organisationen dieser
                                      größere Anzahl an Mitarbeitern, wodurch in  Bewegung tätig, setzten sie ihre Aktivitäten
                                      der Siedlung etliche Arbeitsplätze geschaffen  nun in bestehenden ähnlichen Institutionen
                                      wurden.                                der neuen Heimat fort. So gründeten die Sport-
                                         Ebenso war die medizinische Versorgung  begeisterten des Sudetendeutschen Arbeiter-
                                      gewährleistet, indem sich sowohl eine prakti-  Turn- und Sportverbands (ATUS) keinen eige-
                                      sche Ärztin als auch ein Zahnarzt in der Sied-  nen Verein, sondern schlossen sich dem Allge-
                                      lung mit einer Praxis niederließen.    meinen Sport-Verein Fürth e. V. 1945 (ASV) als
                                         Schon frühzeitig war der Stadtrat außer-  Abteilung ASV Fürth West an, die 1958 an der
                                      dem zu der Überzeugung gekommen, »daß es  Paul-Keller-Straße in 6.000 freiwilligen Arbeits-
                                      aus hygienischen und wirtschaftlichen Grün-  stunden ein eigenes Sportgelände mit Jugend-
                                      den angebracht wäre, eine neuzeitliche Bade-  heim errichtete. Ebenso eifrig machten sich die
                                      anstalt mit Warmwasserbereitungsanlage, 6  »Naturfreunde«, eine ebenfalls in der Arbeiter-
                                      Einzelwaschküchen mit Trockenraum, sowie  bewegung wurzelnde Vereinigung, ans Werk
                                      zahlreichen Bedürfnissen nachkommend, eine  und schuf als Sektion der Naturfreunde Fürth
                                      mechanische Waschküche mit Trockenraum zu  e.V. 1953 in der Heilstättensiedlung in einer
                                      errichten.« 11                         verfallenen ehemaligen Wehrmachtsgarage ein
                                         Von Anfang an waren die Regierungsstellen  Heim für ihre Jugendgruppe.
                                      bestrebt, bei der Heilstättensiedlung jeglichen  Zahlreiche der Neu-Fürtherinnen und Für-
                                      Anschein von Lagercharakter zu vermeiden  ther engagierten sich an ihrem neuen Wohnort
                                      beziehungsweise zu beseitigen. Dazu beitragen  sogleich auch wieder parteipolitisch und grün-
                                      sollte unter anderem die Entfernung einer  deten den Distrikt Heilstättensiedlung der
                                      anfangs noch vorhandenen Umfriedung des  SPD. Einige der Gründungsmitglieder der Bau-
                                      Geländes, »um so den letzten Rest von einem  und Siedlungsgenossenschaft gestalteten meh-
                                      lagerähnlichen Aussehen zu nehmen« , wie es  rere Jahre lang als Angehörige der SPD-Stadt-
                                                                    12
                                      in einer Baubeschreibung von 1949 heißt.  ratsfraktion die Kommunalpolitik mit. Zu nen-
                                      Doch auch die Bewohner der Heilstättensied-  nen sind hier Josef Styber von 1948 bis 1952,
                                      lung selbst – obwohl ausnahmslos Flüchtlinge  Ambros Diez (1888–1958) von 1952 bis 1956
                                      und Vertriebene – beabsichtigten keineswegs,  oder Karl Slama (1903–1965) von 1960 bis
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