Page 119 - Volkswohl Fürth - 100 Jahre
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1965. Letzterer war nach der NS-Machtüber- können, also im eigentlichen Sinn genossen- Während den Bewohnern
nahme einige Zeit im Konzentrationslager schaftlich tätig zu werden. der Siedlung einerseits
Dachau inhaftiert gewesen, von dort aus zum Mit Gründung der Bundesrepublik 1949 die Pflege ihres sudeten-
Militärdienst eingezogen worden und in wandelten sich die Besitzverhältnisse erneut, deutschen Brauchtums
Kriegsgefangenschaft geraten. Nach seiner Ent- ohne dass dies vorerst Auswirkungen auf die sehr wichtig war, ver-
lassung hatte er 1947 in Fürth seine aus der Situation der Bau- und Siedlungsgenossen- suchten sie sich doch in
alten Heimat vertriebene Familie wiedergefun- schaft gehabt hätte. Mit Inkrafttreten des ihrer neuen Heimat zu
den. Auch Pastor Kreitschmann war, ohne Grundgesetzes wurde die Überführung allen integrieren. Sowohl im
einer Partei anzugehören, von 1948 bis 1952 ehemaligen Reichsvermögens in Bundesvermö- sportlichen wie auch im
Mitglied des Stadtrates. gen angeordnet, was auch für den Besitzkom- politischen Bereich
Doch auch die alten Traditionen aus der plex im Fürther Stadtwald galt. Der bisherige schlossen sie sich bereits
früheren Heimat gerieten nicht vollständig in Treuhänder wurde abberufen und die Verwal-
bestehenden Organisa-
Vergessenheit und wurden trotz der gelunge- tung der Oberfinanzdirektion, Nebenstelle
tionen an. Aufnahmen
nen Eingliederung in das neue Umfeld viele Nürnberg, als nachgeordneter Behörde des
des traditionellen Mai-
Jahre lang weiter gepflegt, wie das beliebte Mai- Bundesfinanzministeriums übertragen. Haupt-
baumfällens zu Pfingsten.
baumfällen, das alljährlich zu Pfingsten vom mieter blieb aber vorläufig noch die Stadtge-
Fotografien der beiden
ASV Fürth West veranstaltet wurde. meinde Fürth, der frühere Vertrag wurde
folgenden Seiten 1950er
jedoch erst 1956 angepasst.
Jahre.
Das lange Ringen um den Die Bedingungen des Mietvertrags
Erwerb der Siedlung erschwerten von Beginn an das alltägliche
Leben in vielerlei Hinsicht. Die Verwaltung der
Vor der Notwendigkeit, möglichst viele bis- Siedlung hatte »nach den Weisungen und unter
her völlig unzureichend untergebrachte Men- Aufsicht des städt. Grundstückamtes« 13 zu
schen mit Wohnungen zu versorgen, waren erfolgen, was nicht immer konfliktfrei verlief.
beim Bezug der Siedlung zunächst alle anderen So bedurfte die Belegung von Wohnungen oder
Erwägungen im Zusammenhang mit der Nut- ein Wohnungstausch immer der Genehmigung
zung als zweitrangig erschienen. Doch die durch die verantwortliche städtische Behörde,
Kehrseite, nämlich das Gelände lediglich als die sich ihrerseits mit dem Landesamt für Ver-
Untermieter der Stadt Fürth nutzen zu können, mögensverwaltung beziehungsweise der Ober-
was die eigenen Gestaltungsmöglichkeiten der finanzdirektion darüber zu verständigen hatte.
Bau- und Siedlungsgenossenschaft erheblich Dasselbe galt für jedwede bauliche Verän-
einschränkte, wurde bald allzu deutlich. Schon derung. Alle notwendigen Reparatur- und Aus-
frühzeitig war es daher das erklärte Ziel, selbst besserungsarbeiten mussten als Erstes an das
in den Besitz des Grundes und der Gebäude Stadtbauamt gemeldet werden. Auch um Streu-
der Heilstättensiedlung zu gelangen und die sand für die kalte Jahreszeit und sogar um die
Liegenschaft auch eigenständig verwalten zu Zuweisung von Glühbirnen für die Außen- und
118 Heilstättensiedlung